Naturkatastrophen: Härtetest für Versicherer und Anstoß für Innovation

Rene Schoenauer, Director Product Marketing EMEA bei Guidewire Software, beschreibt, welche Lehren Versicherer aus der Flutkatastrophe vom Juli ziehen können, um im Ernstfall ihre Kunden bestmöglich zu unterstützen

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht davon aus, dass 2021 für Versicherer das Jahr mit den höchsten Unwetterschäden seit 50 Jahren wird. Die Flutkatastrophe und der Hagel im Frühsommer haben versicherte Schäden in Höhe von 11,5 Milliarden Euro verursacht. Aktuell verfügen nur knapp die Hälfte der Gebäude in der Bundesrepublik über eine Elementarschadenversicherung, die bei Naturereignissen wie Starkregen, Hochwasser oder Erdrutschen einspringt. Deshalb fordern Politiker eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Naturkatastrophen werden zukünftig in Folge des Klimawandels immer häufiger auftreten und immer höhere Schäden verursachen. Wie sollten Versicherer sich aufstellen, um ihren Kunden in einer solchen Notlage als verlässliche Partner zur Seite stehen zu können?

Im Ernstfall: Schnelle Schadenregulierung

Wenn Menschen infolge einer Naturkatastrophe Hab und Gut verlieren, ist es essenziell, dass die Versicherer die Schäden schnell und zuverlässig regulieren. Hier ist eine 24/7-Kommunikation über alle Kanäle hinweg unerlässlich. Eine solche Omnichannel-Strategie berücksichtigt die Präferenzen der Kunden und integriert künstliche Intelligenz (KI), zum Beispiel für Kommunikation über Chatbots – wenn auch in Notsituationen sicherlich das persönliche Gespräch an erster Stelle steht.

Die erste Wahl für optimales Schadenmanagement sind cloudbasierte Kernsysteme, die dank flexibler Skalierung eine hohe Anzahl an Schadenmeldungen innerhalb kurzer Zeit bewältigen können. Versicherer können außerdem schnell und flexibel ihre IT-Ressourcen für die Schadenbearbeitung erhöhen und später wieder reduzieren, sobald die Regulierung wieder zu einem normalen Volumen zurückkommt. Somit können Versicherer die Kosten für benötigte IT optimieren und gezielt verteilen. Mit Analytics-Tools gelingt es, Kundendaten aus allen Kanälen zu aggregieren und zu analysieren, sodass eine zügige Schadenbearbeitung erfolgen kann.

Nahtlose Integration mit Dienstleistern

Im Lebenszyklus eines Schadenfalls gibt es viele externe Beteiligte und Dienstleister. Diese externen Akteure, wie etwa Handwerksbetriebe, die den entstandenen Schaden beseitigen, müssen nahtlos in die Abläufe der Schadenbearbeitung integriert werden. So kann der Sachbearbeiter so effizient wie möglich Informationen nutzen oder direkt mit den Beteiligten zusammenarbeiten. Digitale Omnichannel-Erfahrungen sind entscheidend für eine nahtlose Interaktion zwischen allen Beteiligten am Schadenlebenszyklus. Versicherte, Schadenregulierer und Reparaturbetriebe können so alle in Echtzeit und mit dem Gerät ihrer Wahl über den gesamten Prozess hinweg kommunizieren.

Kunden proaktiv ansprechen

Ein modernes benutzerfreundliches IT-System hat gerade im Fall von Naturkatastrophen einen weiteren großen Vorteil: Versicherungsmitarbeiter aus anderen Sparten (z.B. Kfz) können sich schnell in die Abläufe einarbeiten und bei der Schadenbearbeitung im Hochbetrieb unterstützen. Darüber hinaus ermöglichen Cloud-Plattformen eine proaktive Kundenansprache: Potenzielle Schadengebiete lassen sich kartografisch darstellen und der Versicherer kann alle Policen in dem Bereich abrufen. Kunden in gefährdeten Gebieten können so schon kontaktiert werden, bevor ein Schaden eingetreten ist beziehungsweise eine erste Sofort-Hilfe bekommen, wenn ein Schaden eingetreten ist – eine große Hilfe für Menschen in einer belastenden Situation.

Schaden bewerten mit Geodatenanalyse

Die Zunahme an Stürmen und Überschwemmungen rückt Lösungen zur Geodatenanalyse in den Blickpunkt. Anbieter solcher Lösungen analysieren, bearbeiten und zeigen Daten und Bilder an, die von Satelliten und Drohnen gesammelt wurden. Mithilfe von KI lassen sich strukturierte Daten extrahieren, wie etwa zum Zustand von Dächern und Immobilien. Versicherer nutzen diese Daten zunehmend zur Bewertung von Schäden nach Naturkatastrophen. Analytics-Lösungen für Geodaten – integriert in das IT-System – bieten Versicherern eine bessere Transparenz und verwertbare Erkenntnisse über Schäden und Risiken, so dass sie Gewerbe- und Privatversicherungen präziser kalkulieren können.

Künstliche Intelligenz verhindert Versicherungsbetrug

Der GDV schätzt den bundesweit entstandenen Schaden durch Versicherungsbetrug pro Jahr auf rund fünf Milliarden Euro. Es ist leider zu erwarten, dass es nach der Flutkatastrophe auch betrügerische Schadenmeldungen geben wird. Mithilfe von automatisierter Betrugserkennung auf der Grundlage von KI, maschinellem Lernen und Verhaltensanalysen können Versicherer betrügerische Ansprüche schnell und zuverlässig erkennen und gleichzeitig berechtigte Ansprüche zügig bearbeiten. Integrierte Lösungen zur Betrugserkennung haben hohe Trefferquoten und liefern eine umfassende Betrugserkennung in Echtzeit.

Die Flutkatastrophe stellt die Versicherer vor große Herausforderungen. Gleichzeitig macht diese Krisensituation deutlich, wo die IT-Systeme Lücken haben und welche Prozesse in der Schadenbearbeitung (noch) nicht kundenfreundlich und effizient ablaufen. Daher kann dies auch ein wichtiger Anstoß für Versicherer sein, auf eine leistungsfähige digitale Schadenmanagementplattform zu setzen. Denn die nächste Naturkatastrophe kommt früher oder später bestimmt – leider.

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